Chandron S´Garrath - Grundlagenstory

© by Chandron S'Garrath

 

Kapitel 1

"Warum soll ich wertvolle Neuralkapazität mit diesem antiken Zeugs verschwenden?" Telgan sah seinen Sohn mit unergründlicher Miene an.

"Weil dieses 'antike Zeugs' physikalische und technische Grundlagen vermittelt, die  auch heute noch gültig sind und von gewissen Parteien aus rein politischen und monetären Gründen  unterdrückt und ignoriert werden. Abgesehen davon werde ich diese Art von taktisch fatalem Vorurteil nicht  bei einem Angehörigen meiner Familie dulden! Nutze das Erbe Deiner Mutter und analysiere nochmals - aber diesmal bitte rein logisch!" Chandron knurrte verhalten, machte sich dann aber an die verlangte Arbeit. Alle seine gleichaltrigen Freunde durften durch das Schiff rasen, spielen und sich mit INTERESSANTEN technischen Aufgaben die Zeit vertreiben - nur sein Vater bestand darauf, daß er sich mit diesem verstaubten alten Dreck befassen mußte.

"Ich bin in Kürze wieder da. Hoffentlich hast Du bis dahin ein brauchbares Ergebnis vorzulegen."

Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, seufzte Telgan tief auf. Der Junge wurde langsam schwierig und ohne die entsprechende mentale Schulung konnte sich der temperamentvolle Mix aus vulkanischen, romulanischen, celarionischen und noldanischen Genen in kürzester Zeit in derben Schwierigkeiten befinden. Glücklicherweise befand man sich hier nicht in irgendeiner Standardgesellschaft sondern auf dem Quasi-Flaggschiff der RogueFleet. Die gemeinsamen Feinde aller zugehörigen Individuen sorgten recht effizient dafür, daß man keine Zeit mit gegenseitiger Intoleranz verschwendete. In Gedanken versunken machte sich Telgan auf den Weg zu einem seiner ältesten Freunde. Shuq´tep´h würde vielleicht Rat wissen. Zumindest würde die über 600-jährige Lebenserfahrung des Xarellianers wie schon so oft die Kluft zwischen Vater und Sohn abmildern und die Ausbildung erleichtern.

"Mündungsgeschwindigkeit 1200 Yorn pro Toryn, bei einer Einschlagfläche von knapp 0,03 Quadratyorn und einer Energiefreisetzung von über 90 Prozent im Zielbereich." entnervt warf Chandron das PADD quer durch den Raum.

"Das KANN nicht stimmen! Diese Technologie ist über 500 Jahre alt und auch noch terranisch!"

Es war schon schlimm genug, daß sein Vater darauf bestand, daß er seine Zeit mit diesem urzeitlichen Kram verschwendete, aber daß jetzt auch noch alle Ergebnisse nochmals im Kopf durchgerechnet werden mußten, nur weil der Computer diese Steinzeitwaffen offenbar genauso überschätzte wie Telgan S´Garrath war ja wohl das absolut Letzte! Chandron machte seiner steigenden Wut nun auch äußerlich Luft. Nachdem mehrere Einrichtungsgegenstände durch den rauhen Kontakt mit der Wand zu Bruch gegangen waren, drang endlich der klare Ton des Türmelders durch die roten Schleier des Tobsuchtsanfalls.

Chandron bemühte sich krampfhaft um Ruhe und beherrschte sich gerade weit genug, um ein abgehacktes "Tür öffnen!" zu zischen.

Vorsichtig schoben sich zweieinhalb Tonnen mineralischen Lebens durch den beinahe zu engen Spalt. "Störe ich Dich beim Umräumen Eures Quartiers?"

"Das Einzige was hier stört ist eine vollkommen schwachsinnige Arbeitsaufgabe meines werten Vaters, der offenbar viel zu gerne in der Vergangenheit lebt!"

"Du weißt hoffentlich, daß dieses Interesse für die alten Techniken auch mir schon mehrfach das Leben rettete?"

Diese Eröffnung war offenbar neu für Chandron. Auf jeden Fall war sie überraschend genug, um ihn schockartig aus seiner Wut zu reißen und ihn zuhören zu lassen. "Darfst Du mir ein Beispiel erzählen?"

"Es gibt bessere Methoden. Du erlaubst den Eingriff?"

Chandron schluckte krampfhaft. Wenn er jetzt zustimmte, wurde die nächste Zeit recht unangenehm. Gerade das Unterbewußtsein reagierte auf den engen telepathischen Kontakt mit einer xarellianischen Fragmentpersönlichkeit sehr verwirrt, was noch Wochen später zu unangenehmen Träumen führen konnte. Andererseits schloß diese Art der Kommunikation Lügen und Mißverständnisse komplett aus. "Also gut. Versuch aber wenigstens diesmal, nicht allzuviele Fragmente auf einmal am Kontakt teilnehmen zu lassen."

"So soll es sein."

Kommentarlos setzte sich Chandron in eine Konturliege und erwartete den Kontakt. Shuq´tep´h bewegte sich vorsichtig in die Nähe der Liege. Auch für ihn war der Kontakt psychisch anstrengend, da die meisten Humanoiden aus irgendwelchen Gründen maximal drei Fragmente oder "Bewußtseinsebenen" wie sie es nannten, besaßen. Immerhin war der Kontakt mit Chandrons Geist aus bisher unbekannten Gründen deutlich erträglicher, als der mit seinem Vater. Dies bedurfte späterer Überlegung, wie Shuq´tep´h befand. Sorgfältig öffnete er die obersten Hautschichten über einem seiner Bewußtseinszentren und entrollte ein tertiäres Tentakel, während die Primären und Sekundären den Körper in einer möglichst stabilen Lage unterstützten. Die federleichte Berührung an der Stirn stand in keinem Verhältnis zu der schlagartigen Verkrampfung, die sie hervorrief.Chandrons Körper entspannte sich erst, als der Kontakt gleichmäßiger wurde.

Vorbemerkung: Einer der ersten Vorfälle, durch die ich die Vorteile des Wissens zu schätzen lernte, das Du als nutzlos und antiquiert bezeichnest.

 

 

 

Dies geschah noch bevor sich Deine Eltern kennenlernten. Ich habe damals in Darloik und Deinem Vater die ersten  Nichtxarellianer als Freunde gewonnen, die sich wahrhaftig nicht an meinem Äußeren störten und sowohl meine Denkweisen als auch meine Erscheinungsform akzeptierten.

 

 

 

 

Ich begrenze den Kontakt ab jetzt auf maximal zwei Bewußtseinsstränge.

 

 

 

 

Ich nutze meine externes Körperbewußtsein, um Dich nicht von den wichtigen Vorgängen abzulenken.

Die direkte Erinnerung wäre durch die damit verbundenen körperlichen Wahrnehmungen nicht für Dein Sensorium geeignet.

Beginn des Erinnerungssegments folgt:

Der Konstruktionsleiter hatte soeben seine Hiobsbotschaft überbracht. Ein Ionenstrum verhinderte die rechtzeitige Landung des nächsten Versorgungstransports und alle Systeme liefen durch die irreparable Beschädigung des Hauptreaktors nur noch auf Batterie. Und nur noch bis morgen. Der Sturm würde jedoch noch mindestens drei Tage anhalten und die rechtzeitige Versorgung oder gar Bergung der Anwesenden verhindern. Telgan S´Garrath schluckte schwer. Auch alle anderen Anwesenden nahmen die schlechten Neuigkeiten denkbar ungnädig auf. Das Spektrum der Ausrufe in der überfüllten Messe reichte von blankem Unglauben bis fast zur Hysterie.Telgan ignorierte die Beruhigungsversuche des Bauleiters, nickte seinen beiden Freunden zu und verließ mit ihnen den Saal. Jeder Beobachter hätte die drei nur fassungslos angestarrt. Während in der Messe das Chaos tobte, diskutierte das Trio kühl über Energieverbrauch, Ersatzteile und experimentelle Schaltungen. Anschließend trennten sie sich in fieberhafter Eile. Telgan und Darloik rannten so schnell sie konnten in der stetig geringer werdenden künstlichen Schwerkraft zum Ausrüstungsdepot. Shuq´tep´h stürmte unter Ausnutzung seiner sekundären Tentakel auf die Hauptzentrale zu. Das selten dämliche Gesicht des wachhabenden Technikers, als er von zwei Primärtentakeln aus seinem Sitz gepflückt und vor der Tür abgesetzt wurde, würde noch einige Jahrhunderte lang zur persönlichen Erheiterung dienlich sein.

Kurze Zeit später waren die Restenergie, die Schaltzentrale und die Überreste des Generators in den Händen der "Verrückten". Sämtliche Schotten wurden verschlossen. Proteste waren ohne Energie in den Interkomleitungen nicht möglich. Ängstlich, fluchend oder nachdenklich warteten die Eingeschlossenen in der Messe auf ihr weiteres Schicksal. Mittlerweile waren die Wartungsroboter umprogrammiert worden. Sie legten sämtliche verfügbaren Kabel in merkwürdigen Mustern auf die Oberfläche des Asteroiden. An die Kabelenden wurden Triebwerke angeschweisst, deren Tanks komplett aufgefüllt wurden. Anschliessend schalteten die Roboter ihre Energiezellen parallel und speisten den Strom in das Lebenserhaltungssystem. Telgan und Darloik arbeiteten fieberhaft an den Resten des defekten Reaktors. Die sekundären Energiekonverter schienen noch intakt zu sein, waren für ihre zugedachte Aufgabe jedoch nicht geeignet, da sie keine Ströme mit wechselnder oder schwankender Polarität vertrugen. Dieses Problem wurde durch den Umbau der Reaktorkammer gelöst. Sie wurde mit fast reinem Quecksilbergas gefüllt, das bei der Verdampfung des Kühlmittels aus dem Primärenergiekreis abfiel.

Zwei Stunden später war es dann endlich soweit. Shuq´tep´h zündete die Triebwerke, die die Kabelenden hinter sich herzogen. Währenddessen wurden weitere Batterien in fieberhafter Eile hergestellt und mit schwacher Säure befüllt.Das uralte Konzept mit Platten aus Blei und Platin, deren Einschmelzung unerhört viel von der kostbaren Notenergie gekostet hatte, funktionierte auch heute noch. Mittlerweile hatten die Triebwerke ihren Bestimmungsort erreicht. Die ungebremste Kraft des Ionensturms entlud sich in die Kabelenden, als die geladenen Teilchen von dem niederen energetischen Potential des Asteroiden angesogen wurden. Krachend zündete die erste Entladung den Quecksilberdampf-Gleichrichter. Einmal gestartet, blieb die Schichtentladung im Gas aktiv und verwandelte die ungerichtete Energie des Ionensturms in verwertbaren Gleichstrom. Die Energiewandler begannen zu glühen, wurden jedoch von den beiden Anwesenden mit Eis aus den Hohlräumen des Asteroiden immer wieder gekühlt.

Das Heranschleppen des kostbaren Kühlmittels war eine Schinderei sondersgleichen. Telgan und Darloik waren fast am Ende ihrer Kräfte angelangt, als unerwartet Hilfe kam. Shuq´tep´h hatte die eingeschlossenen Kameraden zuerst über die Geschehnisse aufgeklärt und dann freigelassen. Drei Tage später trafen die Frachtcrews eine körperlich erschöpfte Crew in einer mit Energie voll versorgten Basis an, die immer noch an zusätzlichen Batterien arbeitete. 

Du dürftest nun begriffen haben, wie uns eine antike Technik trotz ihrer vergleichsweise schlechten Energieeffizienz auch in diesen hochtechnisierten Zeiten das Leben rettete.

 

Das war nicht die einzige Situation, die wir durch Einsatz längst vergessener Technologien überlebten.

 

 

Dies soll für heute genügen. Ich unterbreche den Kontakt.  

Das tertiäre Tentakel wurde wieder eingerollt und sorgfältig unter den entsprechenden Hautschichten verborgen. Auf Chandrons Gesicht waren mehrere widerstreitenden Gefühle zu beobachten. Ein Sekundärtentakel ergriff das weggeworfene PADD und führte es in Shuq´tep´hs Sichtbereich. "Ich verstehe Deine Erregung nicht. Die Ergebnisse sind bis auf zwei Prozent Toleranz durchaus korrekt." Diese Eröffnung brachte Chandron zurück in die Gegenwart. "Unmöglich! Diese Waffe beruht auf chemischen Antriebsstoffen."

"Der einzige reale Nachteil, gegenüber den von Dir offenbar bevorzugten Energiewaffen besteht bei  einem Einzelschuß lediglich in eventueller möglicher Einflußnahme von externen Kräften auf das Projektil. Du wirst feststellen, daß bei einem derartigen Masse-Energieverhältnis auf diese Entfernung solche Einflüsse vernachlässigbar gering sind. Ich werde auf dem Weg in meine Räume  den Reparaturdroiden entsprechende Anweisungen geben. In so einer Unordnung wird das  Nachdenken nur unnötig erschwert."

Der Xarellianer bewegte seinen tonnenschweren Körper vorsichtig aus dem lädierten Wohnbereich heraus. Chandron starrte noch Minuten später auf die Tür, bis die Reparatureinheit den Raum betrat. 

Nach dieser Episode wurde es zum wöchentlichen Ritual, daß Chandron in einer Kampfsimulation zum Improvisieren gezwungen wurde. Nach und nach verschwand die Abneigung gegen altes Wissen und machte einem deutlichen Interesse Platz. In Verbindung mit der noldanischen und celarionischen Familienausbildung und durch den erheblichen Fortschritt in elementaren Mentaltechniken, die Chandron durch einige Vulkanier und durch Shuq´Tep´h vermittelt wurden, verbesserte sich auch das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater. Langsam wurde auch wieder Kontakt zum Rest der Familie geknüpft und eine weiterführende Ausbildung auf Celarion sowie eine Lehre als Waffenschmied auf Noldan abgesprochen. Einige abtrünnige Föderationsingenieure sorgten für eine adäquate Grundausbildung, wobei sie auch die für sie neuen Denkweisen und Fragen ihres Lehrlings zur eigenen Weiterbildung nutzen konnten.

 

Dann kam der 11.8.2341 ...

"Irgendetwas an diesem neuen Ingenieur stört mich."

"Ist Dir die Vorstellung eines freiheitsliebenden Romulaners denn so unangenehm?" Telgan milderte die scharfe Formulierung seiner Frage durch ein schiefes Grinsen ab.

"Das ist es nicht. Auch seine Geschichte mit der ermordeten Familie ist rein logisch betrachtet vollkommen in Ordnung, da er nun nicht mehr mit seinen Verwandten erpresst werden kann. Aber irgendwie ist mir bei ihm alles zu problemlos gelaufen... Jedenfalls im Verhältnis zu seinem  verschlossenen Verhalten. Ich finde es... unpassend ... daß jemand, der so glatt entkommen ist, kaum Genaueres über seine Fluchtmethoden berichten möchte. Jede Menge Geschichten über seine Familie und ihren Tod, aber keine Details über seine Flucht. Also erzählt er herum, was eigentlich schmerzen müßte und verschweigt etwas, worauf er stolz sein könnte."

"Verstehe. Ich werde ihn und seine Tätigkeiten etwas genauer als geplant im Auge behalten, wenn  Dich das beruhigt. In knapp 600 Toryn ist Salir wieder an Bord, dann kann er bei einer Mentalverschmelzung alle Verdachtsmomente ausräumen."

"Ich kann nur hoffen, daß das reicht. Irgendwie habe ich ein extrem t´aneesh Gefühl bei dieser Sache."

Dieser Ausdruck zeigte Telgan mehr als alles andere, daß Chandron wirklich beunruhigt war. Nachdenklich verabschiedete er sich und beschloß, sicherheitshalber noch beim Arsenal vorbeizugehen, um sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Naliah Mendell staunte nicht schlecht, als sie Telgans Anforderung vernahm: "Gleich ZWEI Waffen? Und auch noch klein genug, um sie unter der Kleidung zu tragen?" Ihr Gesichtsausdruck wechselte von leicht erstaunt zu kalt und kampfbereit. "Vermutest Du irgendetwas Konkretes? Du stehst jedenfalls nicht auf der Liste für irgendeinen  Kampfeinsatz und bisher warst Du einer der Wenigen, die keine Privatwaffen mitführen wollten..."

"Nur so eine Ahnung von Chandron. Der Junge ist aber beunruhigt genug, daß ich kein Risiko  eingehen will. Vor Allem, seit mir S´Kleg mitgeteilt hat, daß er bei Chandron überdurchschnittlich  hohe Neuralaktivität im unbewußten Bereich festgestellt hat."

"Geht in Ordnung. Ziel des Verdachts?" fragte sie, als sie die angeforderten Waffen heraussuchte und an Telgan übergab, der sofort die Ladung prüfte und die Waffen dann griffbereit einsteckte.

"Unser neuer Ingenieur aus dem romulanischen Reich. Chandron hat Bedenken was Art und Umfang seiner Erzählbereitschaft angeht - und ich mache mir so langsam auch meine Gedanken."

"Kommt da Dein vulkanisches Erbgut durch?"

"Nicht unbedingt. Aber ich habe das Talent, Sachen zu bemerken, auf die man mich mit der Nase stößt."

Naliah lächelte kurz über den angedeuteten Scherz, machte dann aber trotzdem Meldung über den Verdacht. Falls die Mentalüberprüfung dem Neuling seine Unschuld bescheinigte, würde dieser Eintrag sofort gelöscht werden. Andererseits hatte schon so mancher scheinbar sinnlose Verdacht sich als brauchbare Warnung erwiesen.

Telgan verabschiedete sich und betrat den Turbolift, der ihn zu den vorderen Waffenprojektoren brachte. Im Stillen verfluchte er den sprunghaften Anstieg von Neuzugängen, seit die Intrepid den ersten großen Kampf gegen die Sklavenhändler errungen hatte. Auf diese Weise wuchs zwar die Flotte und einige dringend benötigte Ressourcen waren mittlerweile im Vergleich zu früher lächerlich einfach zu bekommen, aber leider bedeutete es auch, daß sämtliche ausgebildeten Telepathen bei den neuen Mitgliedern im Einsatz waren, um eventuellen Einschleusungen gegnerischer Agenten vorzubeugen. Nur ungern erinnerte man sich an die diversen Zwischenfälle, die von latenten Selbstzerstörungscodes im Hauptcomputer bis hin zu gezielten Giftgasanschlägen und unverhohlener Erpressung so ziemlich alles beinhalteten, wozu ein cardassianisches, föderatives, klingonisches oder romulanisches Hirn fähig war. Von den unzähligen Scharmützeln mit Sklavenjägern und -händlern und diversen Piraten einmal ganz abgesehen. Das Aufleuchten des Ankunftsmelders beendete Telgans Nachdenken. Sanft bremste die Kabine ab.

Beinahe geschafft. Nur noch diese zwei Hochleistungsschalter vertauschen und diese ganze Perversion würde das verdiente Ende finden. Nur mit knapper Not war der ehemalige Captain und jetzige Tal-Shiar-Executor damals aus den explodierenden Resten seines ehemals stolzen Warbird entkommen. Jetzt würde diese minderwertige Ansammlung von Deserteuren genau jene Waffe am eigenen Leib zu spüren bekommen, deren Einsatz seine persönliche Karriere so effizient zerstört hatte. Eigentlich simpel, wie man eine solche Konstruktion gegen den Eigentümer richten konnte, wenn man sich erst einmal in die Organisation eingeschlichen hatte. Ein plötzliches Geräusch ließ ihnzusammenzucken. Schnell machte er den Zeitzünder seiner soeben beendeten Modifikation scharf und aktivierte die Strahlungsmine. Innerhalb der nächsten Minuten würde dieser Raum eine tödlicheradioaktive Falle sein. Da kam auch schon der Turbolift, der ihn in Sicherheit bringen würde. 

Telgan runzelte die Stirn. Wieso sprach die Overrideschaltung seines Tricorders an? Ein kurzer Blick auf das Display zeigte eine stark erhöhte Radioaktivität. Alarmiert griff er zum Handblaster, als sich die Tür öffnete. Ein Blick in die Augen des neuen "Ingenieurs" und beiden war klar, das ihr Gegenüber sich soeben als Feind entpuppt hatte. Der Romulaner hatte noch einen Wimpernschlag Zeit die Tatsache zu verfluchen, daß Telgan schon seine Waffe im Anschlag hatte, dann wurde er von der Entladung des polarisierten Neutronenprojektils quer durch den Raum geschleudert, während der zugehörige Pulsstrahl aus der noldanischen Waffe seine Eingeweide fritierte. Telgan stürmte vor und prüfte die Lage. Mittlerweile hatte sich das nervige Piepsen des Tricorders in ein lautes Alarmsignal verwandelt. Kurze Zeit später wußte Telgan, daß er nicht mehr lange zu leben hatte.

Der Intercom war sabotiert worden, die Computerkontrolle lahmgelegt und diese Strahlungsmine hatte bei Weitem noch nicht ihr volles Potential erreicht. Außerdem gefiel ihm dieser Zeitzünder am umgepolten Linearbeschleuniger überhaupt nicht. Mit einem bedauernden Achselzucken machte er sich an die Arbeit, die Energieleitungen kurzzuschließen. Das würde zwar für die Kameraden in der Technikabteilung einen Haufen Arbeit produzieren, aber wenigstens würde der Kurzschluß die Vernichtung des Schiffs verhindern. Eigentlich ein netter Ansatz, diese Waffe innerhalb des Schiffs in ihrer Richtung umzukehren - beinahe schon zu kreativ für den Tal-Shiar. Seine Gedanken wurden unklar und er biß sich auf die Zunge, um wieder etwas klarer im Kopf zu werden. Die letzten Minuten seines Lebens widmete Telgan S´Garrath der Aufgabe, die Intrepid zu retten. Es gelang. 

"Unseren Dateien nach ist die fragliche Person durch eine Aktion ihres Schiffes seines Postens enthoben worden. Wir bestreiten entschieden jegliche Verstrickung in die bedauerlichen Umstände, die zum Tod Ihres Crewmitgliedes und zur Beschädigung Ihres Schiffes führten." Mit einem leichten Nicken unterbrach der romulanische Botschafter die Verbindung. Der Bildschirm erlosch. Chandron und Shuq´tep´h starrten noch eine Weile auf die leere Oberfläche.

Einige Minuten später berieten sie ihr weiteres Vorgehen. Subraumverbindungen wurden angemeldet, Gespräche geführt und verbindliche Absprachen getroffen. Die letzten drei Monate vor seiner Abfahrt nach Celarion verliefen für Chandron arbeitsreich und relativ ereignislos. Unter Anleitung von Shuq´tep´h und anderen mental begabten Individuen vervollständigte er seine Selbstkontrolle und lernte grundlegende Abschirmtechniken gegen alle Arten von Empathie- und Gedankenspionage. Auf der langen Reise durch den Weltraum würde mehr als genug Zeit bleiben, diese Fähigkeiten gründlich zu vertiefen. 

Shuq´tep´h achtete sorgsam darauf, seinen Schützling so gut es ging bis an die Belastungsgrenze zu fordern - oft genug auch darüber hinaus. Je erschöpfter Telgans Abkömmling war, desto weniger konnte er seinen Geist mit Trauer und Rachegefühlen vernebeln. 

Innerlich waren die Fragmente des Xarellianers zwischen widerstreitenden Gefühlen hin- und hergerissen.

 

Die Fährte dieses „Einzelgängers“ zu verfolgen, wird mich in den nächsten Jahren vor jeglicher Langeweile bewahren.   Verrückt! Ich muß Chandron ablenken und dürste selber nach Rache.   Der Junge quält sich ziemlich arg.Wenn er sich doch nur besser ab schirmen könnte   Für diese mentale Folter wird jemand mit seinem Leben bezahlen.
          Allerdings wäre das in seinem Alter doch zuviel verlangt.  
  Aber ich werde nicht ruhen, bis ich genug Beweise habe, um die Verantwortlichen zu finden und zu vernichten.          

Chandron ahnte kaum etwas vom seelischen Konflikt des letzten Wesens an Bord, das Telgan mindestens so gut gekannt hatte wie er selbst. In wirren Gefühlsschwankungen zwischen Hass, Rache, Trauer undzielloser Wut verloren, die manchmal mit vagen Selbstvorwürfen zusätzlich angeheizt wurden, hatte er genug damit zu tun, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, ohne sich auch nur einmal über die merkwürdigen Diensteinteilungen zu wundern. 

Der Abschied verlief schlicht und schnell. In den letzten Wochen war ohnehin schon alles gesagt worden, und der schmierige Captain des Versorgungsschiffes erhob außerdem noch eine unverschämt hohe "Liegegebühr" und benahm sich wie der typische Föderationsadmiral im Klischee. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen unterhielt sich der Chefingenieur des Schiffs recht gut mit demansonsten eher schweigsamen Fahrgast. Beide hatten eine Vorliebe für Improvisation und unüblicheSchaltungen. Chandron eher aus theoretischem Interesse, der Ingenieur aus Sachzwängen heraus, daErsatzteile für den schon deutlich veralteten Schiffstyp nur schwer zu bekommen waren. Nach knapp zwei Monaten wurde der tholianische Raum erreicht und Chandron wechselte das Schiff. Die engen Gänge, die für eine nur halb so große Spezies gefertigt worden waren, stellten ein ernstzunehmendes Ärgernis dar.

In den nächsten drei Monaten lebte Chandron auf engstem Raum im "großen Frachthangar" eines tholianischen Multifunktionsschiffes. Fasziniert vom tholianischen Schiffs- und Systemdesign verbrachte er die Zeit hauptsächlich mit Studien der für ihn zugänglichen technischen Daten. Auch stellte sich heraus, daß die Tholianer bei Weitem nicht so herrisch und brutal waren, wie sie es andere Spezies gerne glauben ließen. Allerdings wurde gerade dieses schlechte Benehmen genutzt, um Kontakte mit Fremdrassen auf das absolute Minimum zu beschränken. Wäre die Intrepid vor einiger Zeit nicht maßgeblich an der Rettung eines tholianischen Experimentalschiffs vor unbekannten Piraten beteiligt gewesen, hätte Chandron seine Reise über deutlich längere Umwege machen müssen.

Ein vulkanisches Forschungsschiff brachte ihn zur nächsten Etappe. Die Crew erwies sich als reserviert, jedoch äußerst hilfsbereit. Beide Seiten lernten neue Sichtweisen und Chandron konnte seine lange vernachlässigte Mentalausbildung auf einen angemessenen Stand bringen. Gerade im Bereich der unterbewußten Kontrolle machte er starke Fortschritte.Hier erfuhr er auch Näheres über die Familie seiner Mutter, die jedoch die Tatsache, daß ihr auch Mischlinge angehörten nicht besonders erfreulich fand und die Kommunikation dementsprechend reserviert abwickelte. Schließlich näherte sich auch diese Zeit ihrem Ende. 

Das letzte Schiff auf der Reise nach Celarion war ein Föderationszerstörer. Im Gegensatz zu all den bisherigen Erlebnissen prägte dieser relativ kurze Teil der Reise Chandrons Abneigung gegen alle Arten unnötiger Bürokratie. Zum Glück für alle Beteiligten dauerte dieser Abschnitt nur knapp eineinhalb Wochen und sämtliche Anwesenden waren froh, als diese Episode sich ihrem Ende näherte. Der in diplomatische Hinsicht recht unerfahrene Captain und sein intoleranter erster Offizier waren rein geistig nicht in der Lage, mit Chandrons Erzählungen über seine Kindheit fertigzuwerden oder gar zuzugeben, daß auch die Föderation so manche Leiche im Keller hatte. Teilweise eskalierten relativ sachlich begonnene Gespräche derart, daß sowohl Chandron als auch sein jeweiliger Diskussionspartner kurz davor waren, eine handfeste Schlägerei vom Zaun zu brechen. Die allgemeine Stimmung verschlechterte sich fast täglich.

Doch dann erreichte man endlich: 

Celarion.

Heimstatt der präzisesten Energie- und Plasmawaffen im bekannten Universum. Als Mitglied einer angesehenen Familie von Waffenschmieden stand für Chandron ein besonderesEmpfangskomitee bereit. Selbst als sein Gast statt mit den sonst üblichen Zivilshuttles mit einem schweren Bomber abgeholt wurde, begriff der Captain des Zerstörers noch immer nicht, wen er da eigentlich transportiert hatte - oder warum diese Person auf höheren Befehl nur äußersteingeschränkten Zugriff auf den Schiffscomputer nehmen durfte. Lediglich der Wissenschaftsoffizier des Schiffs - ein Tellarit, der die Streitgespräche und Beleidigungen der Hitzköpfe äußerst interessant gefunden hatte - geriet ins Grübeln.

Kaum hatte sich die Luftschleuse hinter Chandron geschlossen, als er auch schon aufgefordert wurde, sich zu setzen und anzuschnallen. Der Pilot löste die Magnetklammern und ging sofort auf Vollschub und Kurs Richtung Planetenoberfläche. Noch im freien Fall wurde Chandrons Genstruktur überprüft und er selbst und sein bescheidenes Gepäck nach unerwünschten Mitbringseln durchsucht. Nach Ablauf dieser Prozeduren erfolgte ein ruckartiger Kurswechsel in Verbindung mit dem Ausstossen diverser Täuschkörper und wenige Minuten später wurde Chandrons Gepäck hinter ihn an seinen Sitz geschnallt, ein weiterer Kurswechsel folgte und plötzlich öffnete sich der Bombenschacht - direkt unter ihm. Geschockt durch diesen unerwarteten Verlauf der Geschehnisse kam er erst gar nicht auf die Idee, um Hilfe zu schreien oder irgend jemanden zu verfluchen. Allerdings schien sein unerwarteter Ausstieg aus dem Kampfschiff nicht gerade unvorbereitet gewesen zu sein, denn plötzlich begann ein Antigrav zu arbeiten, das seinen Fall sanft verzögerte, bis er direkt auf einer eingezäunten Fläche zum Stehen kam.

Während Chandron noch die Umstände seiner Landung analysierte, war die Intrepid mit einem verstümmelten Notsignal beschäftigt. Erin Moaref, momentan das Äquivalent zum Ersten Offizier, faßte die bisher bekannten Daten für alle Mannschaftskameraden zusammen, die durch den Alarm eben erst auf ihre Posten gerufen wurden. "Der Notruf kam von einem Förderationsfrachter, er wird von Piraten angegriffen. Der Captain ist sehr schlecht zu verstehen, zu viele Störungen, wir arbeiten aber daran. Was man heraushören konnte ist, daß das Schiff viele Familien mit Kindern an Bord hat!"

Jetzt schaltete sich der Captain ein. "Konnten die Koordinaten ermittelt werden?"

"Positiv.“

"Ich nehme doch wohl an, daß wir schon unterwegs sind!?" Erin sah dem Captain genau in die grünen Augen.

"Volle Warpgeschwindigkeit. Ankunft in circa 125 Toryn!"

"Gut gemacht!"

Klilatek trommelte nervös auf seiner Lehne rum. Obwohl seinem Volk wegen ihres pflanzlichen Metabolismus ein Hang zum Phlegmatischen nachgesagt wurde, hatte er dieses Verhalten bei sich noch nie feststellen können. Stattdessen hatte man bei den Befähigungstests ein überdurchschnittlich hohes Potential in Strategie und Taktik in Verbindung mit einer unglaublich schnellen Fähigkeit zur Situationsanalyse festgestellt, was ihm seinen derzeitigen Posten eingebracht hatte. Im Angesicht der erzwungenen Untätigkeit fluchte er innerlich vor sich hin. Selbst mit der Höchstgeschwindigkeit brauchten sie drei Stunden. Er hasste es, nutzlos herumzusitzen, wenn andere Hilfe benötigten. Doch die Crew der Intrepid war ein zu gut eingespieltes Team, um ihm noch etwas tun zu lassen und so blieb ihm nichts anderes übrig, als die Berichte entgegenzunehmen.

Nach dem sie unter Warp gegangen waren, blickte die Brückencrew verbittert auf ein Trümmerfeld. Geschmolzener Schrott und Leichen trieben durchs All. Der Frachter hatte keine Chance gehabt.

Die Kinder schrien und weinten nach ihren Eltern. Man hatte sie alle zusammengetrieben und auf das Piratenschiff gebracht. Sie war die einzige Erwachsene. Diesen Umstand verdankte sie wohl ihrer Schwangerschaft. Was aus den anderen Erwachsenen geworden war, war ihr sonnenklar, sie waren tot. Die Piraten brauchten keine Zeugen. Sie drückte ein Baby, das erst vor vier Tagen geboren war, an ihre Brust. Das kleine Mädchen wimmerte leise. Es hatte Hunger. Im Moment war sie froh, daß ihre Schwangerschaft schon soweit fortgeschritten war und sie das Kind stillen konnte. Beruhigend sprach sie auf die Kleine ein und legte sie an. Wärend sie das Baby stillte, dachte sie über ihre Lage nach und was dabei herauskam war nicht gerade erfreulich. Sie war sich darüber im Klaren, daß sie sterben würde sobald  ihr Kind da war und die Piraten sie nicht mehr brauchten.

Eine kalte Wut machte sich in Klilatek breit. Mit gefährlich leiser Stimme befahl er, die Piraten zu verfolgen. Die Crew der Intrepid beeilte sich, den Anweisungen mit grimmiger Entschlossenheit zu folgen. Keiner wollte den Zorn des Pflanzenwesens auf sich ziehen und jeder, der die Leichen gesehen hatte, brannte darauf, die Täter zu vernichten. Es dauerte nicht lange und man hatte das Schiff lokalisiert. Der Captain befahl das Metron-Manöver und schon ging es los.

Das Piratenschiff war extrem bewaffnet. Im Gegensatz zur allgemeinen Designphilosophie der bekannten Völker, hatte es statt einiger weniger Hauptwaffen den ganzen Rumpf mit Kanonentürmen aller Art bestückt. Diese Bewaffnung in Verbindung mit überlappenden Punktschilden würde sowohl der trägen aber kampfstarken Galaxy-Klasse als auch dem wendigen Bird of Prey übelste Schwierigkeiten bereiten. Inzwischen gellten mehrere Bereitschaftsalarme durch die Intrepid. Kampfpiloten strömten aus allen Ecken des Schiffs in die Angriffshangars und begaben sich zu ihren Sammelpunkten. Zeitgleich wurden die Startkatapulte geladen, die Kampfschiffe mit den von der Zielerfassung empfohlenen Waffen versorgt und sämtliche verfügbaren Sensordaten über den Feind analysiert und gespeichert.

Das Ultimatum des Captains an die Piraten wurde mit einem höhnischen "Versuch´s doch - selbst die Cardassianer haben uns nicht gekriegt !" beantwortet.

Gleichzeitig feuerten die Geschütze mit größerer Reichweite eine Salve auf die Intrepid ab. Urplötzlich bildete sich ein temporäres schwarzes Loch zwischen der Intrepid und dem Piraten. Die abgefeuerten Strahlen verschwanden oder wurden so stark abgelenkt, das sie keine Bedrohung mehr darstellten. Jetzt war die Intrepid an der Reihe. Zwei Warpgondeln schoben sich aus der Brückensektion, die sich vom Hauptrumpf trennte und dem Piraten den Fluchtweg abschnitt. Gleichzeitig spien die Startkatapulte ihre tödliche Ladung ins All. Das klassische RogueFleet-Manöver aus mehreren Angriffsstaffeln begann.

Unterstützt von den Hauptgeschützen des Brückensegments, sowie von schwerem Feuer aus allen Rohren des Hauptrumpfes begannen zuerst die Kampfgleiter der Deggonar-Klasse ihren Angriff.

Mit unvorhersehbaren Kursänderungen flogen sie bei maximaler Beschleunigung auf den Feind zu, bestrichen dabei die ohnehin schon stark geschwächten Schilde mit einem mörderischen Sperrfeuer und gingen letztendlich auf direkte Tuchfühlung mit dem Rumpf ihres Zielobjekts. Monatomare Schneidklingen begannen zu glühen, als sie durch Kraftfelder verstärkt wurden. Zwei volle Geschwader im direkten Rumpfkontakt schnitten eine Unzahl an klaffenden Wunden in die gegnerischen Geschütztürme. Mittlerweile beharkten die schweren Bomber der Thurrngarr-Klasse den Bug des Piraten, zerfetzten die dortigen Schilde und sorgten so für den freien Abflug ihrer Kameraden.Die Bomber mit den charakteristischen Tragflächen, die einer alten celarionischen Kampfaxt nachempfunden waren, zeigten kurz darauf mehr von ihren Fähigkeiten.

Hier dienten die "Schneiden" der Tragflächen allerdings nicht nur als direkte Kontaktwaffe, vielmehr wurden auf der gebogenen Außenseite kleine Stahlkugeln aus einer Wolfram-Karbid-Legierung mittels linearen Adhäsionsfeldern entlanggezogen und beschleunigt, um dann im richtigen Moment auf das Ziel losgelassen zu werden. Die auf 0,63fache Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Kugeln setzten beim Aufprall ein extrem hohes Maß an Energie um, was das Piratenschiff stark durchschüttelte.Die Gegenwehr der Freibeuter erlahmte nur sehr langsam, obwohl die Schilde durch das tödliche Dauerfeuer aus allen Richtungen schon fast vollständig vernichtet worden waren.

Jetzt mischten sich die Truppentransporter ein. Die im Vergleich zu den anderen Kampfschiffen recht harmlos aussehenden und nicht besonders wendigen Raumfahrzeuge dockten im hinteren Bereich des Piratenschiffs an. Die Schockwelle, die durch die Haftmagneten der Transporter ausgelöst wurde, ließ den schwer getroffenen Feind nochmals bis zur letzten Niete erbeben. Sofort hörte dafür das Trommelfeuer auf. Stattdessen erfolgten nur noch vereinzelte Angriffe, die noch aktive Waffen mit fast chirurgischer Präzision lahmlegten. Die überlebenden Piraten bereiteten sich auf ihre Gegner vor. Musterverzerrer wurden überall aufgestellt, Waffen ausgegeben und Kraftfelder errichtet. Die Entermannschaften waren darauf vorbereitet. Spezielle Kraftfelder schnitten den Rumpf auf, bogen dann das gequälte Metall zur Seite und versiegelten gleichzeitig das entstandene Loch gegen Atmosphäreverlust. Verzweifeltes Abwehrfeuer schlug harmlos gegen das schwer gepanzerte Ausfallschott, bevor dieses dann nach vorn kippte. Jetzt brach sich das Feuer der Piraten an einem starken Kraftfeld, hinter dem die Entermannschaften bereitstanden. Entsetzen breitete sich unter den skrupellosen Räubern aus, als die Angreifer mit kalter Entschlossenheit merkwürdig geformte Waffen in Anschlag brachten.Das kurze Flimmern des Schutzschirms verriet eine Phasenanpassung an die Emissionsfrequenzen der unbekannten Gewehre, dann brach die Hölle los. Der schwach sichtbare, qualvolle Tod kroch auf die Piraten zu. Selbst das Recht auf einen Tod im Kampf wurde ihnen verwehrt, als sie regelrecht exekutiert wurden. Die Molekülresonatoren leisteten ganze Arbeit. Mikrowellenstöße in genau abgestimmten Frequenzen zerbrachen die Eiweißketten in den Körpern der Piraten und wandelten sie in Prionen, Nervengifte und andere radikale Toxine um. Keine fünfzig Toryn später ereilte das Schicksal auch den Piratencapatin, nachdem er in der Hoffnung auf sein Überleben den Enterteams die wichtigsten Kontaktadressen für den Menschenhandel in diesem Sektor verraten hatte.

Verächtlich wandten sich die Angreifer ab, um die Gefangenen zu befreien. 

Wieder waren Kampfgeräusche zu hören und die Kinder drückten sich ängstlich an sie. Das Schiff wurde immer wieder hart getroffen und die Beleuchtung flackerte. Sie drängte sich mit den Kleinen in eine Ecke und versuchte, sie zu beruhigen. Mit hoffnungsvoller Stimme, die sie im innern nicht empfand, sagte sie das man alle wohl nun retten würde. Plötzlich bildete sich Rauch und jeder mußte husten. Sie gab das Baby an eines der älteren Mädchen und rannte zur Tür. Mit den Fäusten hämmerte sie dagegen und schrie um Hilfe, die nicht kam. Plötzlich gab es wieder eine starke Erschütterung und es löste sich ein Deckensegment. Getroffen sank sie zu Boden und alles wurde schwarz.

Auf der Krankenstation der Intrepid konnte man zwar die körperlichen Verletzungen der werdenden Mutter vollkommen heilen, die Amnesie, die sie davongetragen hatte, sollte jedoch noch lange Jahre anhalten. Die Bedeutung, die diese Ereignisse für Chandrons weiteren Lebensweg hatten, würde sich erst in den Jahren um 2370 herum erweisen.

Als Chandron die Gurtverriegelung löste, näherte sich ein älterer Mann der Landezone. Gelassen betrachtete der Neuankömmling seinen weitgereisten Gast. "Willkommen im Hause von Noreth S´Garrath, Enkel. Die merkwürdigen Umstände Deiner Ankunft sollten Dir zeigen, welchen Aufwand wir hier betreiben müssen, um der Spionplage Herr zu werden. Nimm Deine Sachen und folge mir, ich zeige Dir Deine Unterkunft." Der kommentarlose Gehorsam, der dieser Begrüßung folgte, wurde anerkennend registriert. Offenbar hatte der Junge endlich ein wenig Selbstkontrolle gelernt. Telgans letzten Briefe waren in dieser Hinsicht deutlich pessimistischer gewesen. Die ersten Tage gingen hauptsächlich mit gegenseitigen Erzählungen vorüber. Besonders viel Zeit wurde auf die Umstände von Telgans Ableben verwendet. Danach begann die Unterweisung in celarionischer Sprache, Mentalität und Waffendesign. Auch der relativ strenge Ehrenkodex des Planeten wurde vermittelt. Nach sechs harten, aber äußerst interessanten Jahren erfolgte der Abschied.

"Ich überreiche Dir nicht nur Dein Meistersiegel, sondern auch die Möglichkeit, Deine Ausbildung zu vervollkommnen. Ob Du sie nutzt, bleibt Dir überlassen." Ein leises Lächeln milderte diese traditionellen harten Worte ab.

"Ich fürchte jedoch, daß Dein Empfang auf Noldan mindestens ebenso paranoid sein wird, wie der auf Celarion." Chandrons Gesicht zeigte kaum eine Regung, dennoch war ihm die Überraschung anzumerken. "Wieso sollte irgend jemand derartiges Interesse für simple Klingenwaffen und Energiewaffen mit veralteter Technologie an den Tag legen?" Noreth S´Garrath schien ein wenig zusammenzusinken.

"Weil es immer irgendjemanden geben wird, der sich scheinbar überlegenes Wissen aneignen will -  egal worum es sich handelt." Der alte Celarioner seufzte verhalten. "Und leider ist es denjenigen meist auch egal, welche Mittel sie anwenden, um das Gesuchte zu erlangen."

"Aber heutzutage benutzt doch fast jeder nur noch die üblichen Standardwaffen wie Phaser und Disruptoren!"

"Und doch gibt es immer wieder Situationen, in denen eine überlegene oder vom Feind unerwartete Nahkampfwaffe einen entscheidenden Vorteil ausmacht. Du weißt um die Verdorbenheit der großen Machtblöcke, sie hat Dich Deine Eltern gekostet. Unterschätze sie niemals!"

Chandron verkrampfte sich kurz, beherrschte sich aber.

"Solltest Du irgendeine Art von Hilfe benötigen, sei es Wissen, Unterstützung oder einen Unterschlupf, laß es mich wissen. Unser Planet hat große Erfahrung darin, seine wahren Werte verschwinden zu lassen." Der Triebwerkslärm des landenden Bombers verhinderte weitere Gespräche. Noreth drehte sich ruckartig um und ging zurück in sein Anwesen, während Chandron dem Winken des Piloten folgte und in den Bomber sprang. Der Andruckabsorber schaffte es kaum, die ruckartige Beschleunigung des Starts auszugleichen.

Chandron blickte nicht zurück.

Kurze Zeit später war der stationäre Orbit erreicht. Sowohl der Pilot als auch sein Passagier kniffenablehnend die Augen zusammen, als sie die typische Silhouette eines Föderationsschiffes erkannten."Schonmal einen Schleudersitz benutzt? Ich könnte wetten, daß diese Trottel MAL WIEDER irgendwelche ´Probleme´ mit ihren Andockklammern haben und mich höchst freundlich ersuchen, die Verzerrungsfelder zu deaktivieren, damit sie Dich beamen können."

"Ich bin sicher, diese Erfahrung wird extrem unterhaltsam sein. Allerdings hätte ich selbst von der Föderation etwas mehr ... Kreativität ... erwartet."

"Der größte Witz dabei ist aber, daß ich die älteste Klapperkiste des gesamten Planeten unterm Arsch habe. Selbst wenn sie mein kleines Spielzeug scannen könnten, hätten sie auch nur sechzig Jahre alte Informationen erbeutet."

Chandron grinste.

"Und natürlich zeichnet dieses Schiff sämtliche Scanmuster und Sensoremissionen auf, was Euch ein wenig dabei hilft, Eure Störsender auf dem neuesten Stand zu halten." Der Pilot nickte anerkennend.

"Exakt. Und nun, wertes Publikum, unser berühmter Anruf." Fast auf´s Stichwort erschien der Kommunikationsoffizier des Föderationsschiffes auf dem Hauptschirm.

"Hier ist die USS van Maanen - NCC 3940. Bedauerlicherweise scheinen unsere Andockschleusen nicht mit Ihren Systemen kompatibel zu sein. Wenn sie so freundlich wären, Ihr Dämpfungsfeld zu deaktivieren, könnten wir Ihren Gast hinüberbeamen."

"Irgendwie verliere ich so langsam das Vertrauen in die Fähigkeiten Ihrer Ingenieure. Was ist mit den Frachtschleusen ?"

"Unsere Lagerräume sind vollkommen überfüllt, also dürfte für Ihr Raumschiff nicht genügend Platz zum Landen vorhanden sein."

"Natürlich. Sie möchten meinen Passagier also beamen?"

Der Föderationsoffizier schien überrascht. Diese offensichtlich harmlose Nachfrage schien daraufhinzudeuten, daß diese Sturköpfe endlich ihre lästigen  Dämpfungsfelder deaktivieren wollten. Nach fast siebzig Jahren vergeblicher Scanversuche wäre das der erste aktenkundige Erfolg in dieser Angelegenheit. Die Erleichterung und das Erstaunen des Föderationsoffiziers war recht deutlich zu erkennen, als er antwortete: "Das wäre wohl die einfachste Alternative.

"Dann machen sie mal Ihre Sensoren und Transporter klar. In ein paar Sekunden gibt es Arbeit."

Der Pilot unterbrach die Verbindung und prüfte nochmals Chandrons Raumanzug, der mittlerweile schon versiegelt worden war. "Mach´s gut - und stell Dich dumm!"

Chandron quittierte den gutgemeinten Rat mit einem knappen Nicken, legte dann den Kopf in die Halteklammer und wartete auf den Abschuß. 

"Scanner und Analysegeräte bereit?"

"Jawohl Sir, läuft alles auf Hochtouren und wird mehrfach aufgezeichnet."

"Wir werden mit den Problemen bei der Erfassung unseres Passagiers maximal zwei Minuten rausholen können, sorgen sie also für bestmögliche Ergebnisse."

"Zielobjekt hat die Triebwerke aktiviert. Drehung um X-Achse mit 84 Grad. Der Kerl zeigt uns sein Dach."

"Umso besser. Nicht so perfekt wie ein Ventralscan, aber fast genauso gut."

"Sir, plötzliche Energiefluktuation in der abgewandten Seite des Flugkörpers!"

"Was ist DAS denn ?"

"Flugobjekt beschleunigt mit Kurs auf den Planeten. Abgeschossenes Projektil wird gerade analys....  - DER HAT SEINEN PASSAGIER RAUSGESCHOSSEN !!!"

"Hey, das kenne ich aus irgendwelchen antiken Texten - ´Schleudersitz´ nannte man sowas, glaub´ich."

"Langsam verstehe ich, warum wir keine verläßlichen Daten über deren Stand der Technik haben."

Nur mit Mühe unterdrückte der Captain ein Lächeln. Diese Art der Schnüffelei wurde grundsätzlich von irgendwelchen paranoiden Bürokraten befohlen, die keine Ahnung vom Umgang mit fremden Völkern hatten. Das Scheitern dieser Versuche war ihm persönlich noch nicht einmal unangenehm.

"Na dann holen sie unseren Gast mal an Bord. Obwohl ich stark bezweifle, daß irgendein Gespräch mit ihm uns wesentlich weiterbringt, wollen wir doch nicht unhöflich sein, nicht wahr."

"Die letzte Crew, die Kontakt mit ihm hatte, beschreibt ihn jedenfalls als relativ gesprächsbereit, kritisiert im Bericht aber die Neigung, der Föderation nicht spezifizierte Verbrechen anzuhängen."

"Nun, ich habe hier einige genauere Berichte aus den automatischen Aufzeichnungen vorliegen. Offenbar starb seine Mutter durch direkte Folgen eines diplomatischen Fauxpas der Föderation. Wobei ich meine, daß man eigentlich von einem `ne faut pas` sprechen müßte."

"Statt eines ´Fehltrittes´ ein ´das muß nicht sein ´?"

"Korrekt übersetzt, Commander T´nal. Vielleicht sollten sie sich unserem Gast als Begleiter zur Verfügung stellen. Die Datenbank bescheinigt ihm einen gewissen Anteil vulkanischer Gene und eine bisher in Art und Umfang nicht klassifizierte Mentalausbildung. Es dürfte also logisch sein, daß sie als unser Wissenschaftsoffizier sich um ihn kümmern."

"Ich verstehe, Sir. Melde mich ab zum Transporterraum."

Als Chandron sich aus dem Raumanzug schälte, erschien ein Vulkanier im Rang eines Commanders. Laut Uniformabzeichen schien er in der Wissenschaftsabteilung zu arbeiten. Chandron konzentrierte sich zunächst darauf, den Anzug abzulegen und sein Gepäck aufzunehmen. Um die Analyse der bisher aufgetauchten Personen konnte man sich auch später noch kümmern.

"Ich bin Commander T´nal, Wissenschaftsoffizier dieses Schiffes. Captain Flandru hat mich beauftragt, Sie ein wenig herumzuführen und Ihnen während Ihres Aufenthaltes auf diesem Schiff ein wenig ´Gesellschaft´ zu leisten."

"Chandron S´Garrath. Ich bedaure, durch das Ärgernis meiner Anwesenheit einen Vulkanier von seiner erwählten Aufgabe abzuhalten. Dennoch bin ich überzeugt, daß wir einen effizienten Weg finden werden,  Sie nicht allzusehr in Ihrer Arbeit zu behindern."

"Das wäre äußerst freundlich. Wenn ich jetzt die Führung beginnen darf ?" Chandron hatte mittlerweile sein Gepäck gesichert und innerlich Gelegenheit gefunden, seinem Großvater für die überaus gründliche Ausbildung in Sitten und Vorlieben der häufiger anzutreffenden Fremdintelligenzen zu danken.

"Selbstverständlich. Bitte nach Ihnen."

Im Gegensatz zur ersten Erfahrung mit der sprichwörtlichen föderativen Ignoranz und Bürokratie war diese Reise beinahe angenehm. Der aufgedrängte Gesprächspartner sah sich eher an seinen Eid gegenüber der vulkanischen Akademie der Wissenschaften als an seinen Starfleet-Eid gebunden, was die penetrante Schnüffelei eher selten werden ließ. Abgesehen davon erwies sich Chandron nach entsprechender Einarbeitung als ziemlich fähiger Helfer, was gegen Ende der Reise dazu führte, daß Commander T´nal seinem persönlichen Zeitplan deutlich voraus war. Trotz der für ausgebildete Vulkanier typischen Reserviertheit war durchaus ein angemessenes Maß an Dankbarkeit zu spüren, als die beiden Leidensgenossen sich verabschiedeten.

Auch vom Captain war Chandron diesmal eher angenehm überrascht. Im Gegensatz zu den vorherigen Erfahrungen mit Starfleet-Kommandanten schien Captain Flandru seinem Gast dessen Verschwiegenheit nicht ansatzweise übel zu nehmen und auch in allen anderen Bereichen deutlich entspannter, offener und toleranter zu sein als sein vorher erlebter Kollege. In einem kurzen Anfall von Heimweh zuckte Chandron eine Formulierung Shuq´tep´h´s durch den Kopf: ´Dies bedarf der weiteren Beobachtung.´.

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